Forschungsinstitut Technologie und Behinderung Barrierefreiheit, Design für alle, universelles Design

Navigation

Servicenavigation

Inhalt

Barrierefreiheit, Design für alle, universelles Design

Was ist eigentlich "normal"?

Jeder Mensch ist einzigartig und ein Individuum. Wir sind alle verschieden und das ist normal. Die individuellen Fähigkeiten jeder einzelnen Person weichen dabei mehr oder weniger vom Durchschnitt ab. Der Durchschnitt als statistische Größe ist zwar interessant, darf aber mit Normalität nicht verwechselt werden. Diese Sichtweise schließt alle ein, solche mit eingeschränkten Funktionen z.B. wegen Behinderung oder Alter und solche, die zu einer Elite gehören. Alle sind "normale", unterschiedliche Menschen. Aus dieser Sicht beginnt Integration damit, Menschen, die vom Durchschnitt abweichen, als normal zu betrachten und einzubeziehen. Eine Person mit einer Behinderung ist also ein "normaler" Mensch wie alle anderen auch.

Nutzer und moderne Technik.

Die Nutzeranforderungen an Produkte und Dienstleistungen gerade im Bereich moderner Technologien sind im Grundsatz für alle gleich:

  • Physischer Zugang muß gewährleistet sein,
  • die Bedienung muß benutzerfreundlich ausgelegt sein,
  • eine gute Anleitung oder ein Training muß verfügbar sein
  • und es muß für den Benutzer erschwinglich sein.

Mit diesem Verständnis müssen wir Lösungen für alle anstreben, universelle Lösungen ohne Zugangsbarrieren. Daher sollte sich die der Entwurf und die Entwicklung technologischer Produkte und Dienstleistungen an den Anforderungen aller orientieren.

Das Design Konzept.

In Europa sind Konzepte in dieser Richtung bekannt unter den Bezeichnungen "barrierefreies Design" oder Design für alle [Design for all], während im englischen Sprachraum die Bezeichnung "universelles Design" [universal Design] verwandt wird. (Mancherorts wird auch integratives Design [inclusive Design] oder zugängliches Design [accessible Design] verwandt). Trotz des unterschiedlichen Ursprungs und Unterschieden in den Details haben diese Konzepte gemeinsame Grundlagen und weitgehende Übereinstimmung, so daß sie im Folgenden gemeinsam betrachtet werden können. Das zugrundeliegende Konzept ist ein integrativer Ansatz im Design. Bekannt ist dies beispielsweise aus der Architektur im Zusammenhang mit der Zugänglichkeit von Gebäuden oder öffentlichen Plätzen für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen (barrierefreies Design). Das Ziel ist, Zugang für alle zu ermöglichen inklusive denen, die vom Durchschnitt abweichende Anforderungen haben, hier etwa Eltern mit Kinderwagen, Rollstuhlfahrer, Menschen mit Sehbehinderung, etc. Diese Idee wurde auf das industrielle und das Software- Design übertragen, insbesondere im Bereich der Mensch-Maschine Interaktion (Bedienoberflächen). Das Konzept zielt auf eine proaktive Strategie, die Zugänglichkeit und Interaktionsqualität während des Entwurfs- und Designprozesses in das Produkt integriert. Dazu gehen die Anforderungen aller in den Design-Prozess ein und eine Lösung, die von allen benutzbar ist wird angestrebt. Das wäre natürlich das Design Konzept mit der größtmöglichen Integrationskraft. Daher wir dieses Konzept im Zusammenhang mit den Aktivitäten die Informationsgesellschaft weiterzuentwickeln favorisiert. In der Initiative eEurope wird das Prinzip "Design für alle" für die Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen als grundlegendes Prinzip angesehen.

Markt- und Sozialprinzip.

Dieses Design Konzept hat augenscheinlich ein beträchtliches Potential die Teilhabe aller an der Gesellschaft zu fördern. Es umfaßt sowohl eine soziale wie auch eine Markkomponente - die Teilhabe aller und das Verkaufen an alle. In Wirklichkeit muß die Balance zwischen diesen beiden Komponenten und Motivationen jedoch näher betrachtet werden:

  • Eine Lösung für alle, wenn sie denn überhaupt technisch machbar ist, kann sehr teuer werden. Dies könnte den Verlust von Marktanteilen an die Konkurrenz bedeuten.
  • Oder es besteht die Gefahr ein Produkt zu entwickeln, das zwar irgendwie für alle funktioniert, aber in der Praxis für niemanden wirklich nutzbar ist statt für alle.
  • Bliebe andererseits "Design für alle" ein freiwilliges Konzept mit Marktmotivation, wäre maximales Marksegment und maximaler Profit die Konsequenz. Die Optimierung von Markanteil und Profit alleine könnte so dazu führen, daß bestimmte Gruppen von Nutzern ausgeschlossen bleiben.

Damit wird der Widerspruch zwischen Design für alle als Marktprinzip und als soziales Prinzip deutlich.

Design für alle und spezielle Lösungen.

Im wirklichen Leben und in der Marktrealität können nicht alle Barrieren durch universelle Lösungen beseitigt werden. Es bleibt immer auch die Notwendigkeit spezifische zielgerichteter Lösungen anzubieten und individuelle Anpassungen, wie man sie etwa aus der traditionellen Rehabilitationstechnik kennt, durchzuführen. In der täglichen Praxis wird ein Zusammenwirken beider Konzepte "Design für alle" und spezielle Lösungen benötigt. Da viele Nutzer von speziellen Hilfstechnologien (Rollstühle, Hörgeräte, Braille -Zeilen, Gehstöcke, etc.) sich neue Barrieren gegenüber sehen (Treppen, Lärm, graphische Benutzeroberflächen, etc.), müssen auch ihre Anforderungen im "Design für alle" berücksichtigt werden: zumindest sollte Kompatibilität mit solchen technischen Hilfen und Rehabilitationstechnik hergestellt werden.

Universelles Design.

(nach Trace R&D Centre , Internet version 5/6/96).

Universelles Design ist der Entwurfsprozeß von Produkten (Geräte, Umgebungen, Systeme, und Prozesse), die von Menschen der breites mögliche Palette unterschiedlichster Fähigkeiten in der breitest möglichen Palette von Situationen (Umgebungen, Konditionen und Umstände) benutzt werden können.

Universelles Design besteht aus zwei wesentlichen Komponenten:

  1. Design von Produkten so flexibel, daß sie unmittelbar (ohne Zusatztechnik oder Anpassungen) von Menschen der breites mögliche Palette unterschiedlichster Fähigkeiten in der breitest möglichen Palette von Situationen (Umgebungen, Konditionen und Umstände) benutzt werden können, soweit kommerziell praktikabel mit aktuellen Materialien, Technologien und Know-How; und
  2. Design von Produkten in der Art, daß sie kompatibel (interoperabel) mit unterstützender Technik sind, die von denen eingesetzt wird, welche die Produkte nicht effizient direkt benutzen können.

Universelles Design ist demnach kein Produkt oder Ergebnis, sondern ein Prozeß. Der Prozeß führt zu Produkten (Geräte, Umgebungen, Systeme, und Prozesse), die nutzbar sind von und nützlich für die größtmögliche Gruppe von Menschen. Es ist jedoch nicht möglich, ein Produkt zu entwerfen, das von jedem oder unter allen Umständen nutzbar ist. Betrachtet man beispielweise Menschen die gleichzeitig taub-blind sind, eine Zerebralparese und schwere geistige Behinderung haben, so ist gegenwärtig kein Entwurf für individuelles Transportsystem zur unabhängigen Benutzung einer solchen Person bekannt. Obwohl dieser Fall wirklich extrem ist, verdeutlicht er diese Problematik.

Genauso wichtig ist aber die Bedeutung des Wortes "aktuell" in obigem Satz. Noch vor kurzem war es nicht klar, wie man öffentliche computer-gestützte Informations-Displays gestalten muß für Benutzer, die taub-blind sind. Heute ist dies möglich und realisiert, ohne nennenswerte Veränderung der Produktionskosten der Systeme. In der Tat können heute auf Basis von Entwicklungen der letzten Jahre Produkte realisiert werden, die sehr breit nutzbar und zugänglich sind, was noch wenige Jahre zuvor unmöglich war.

Nutzen für alle Benutzer.

Es ist wichtig klarzustellen, daß universelle Design Design Techniken tatsächlich universell sind. Fast ohne Ausnahme haben sich Eigenschaften, die einem Produkt zugefügt wurden mit dem Ziel, Menschen mit temporären oder dauerhaften Einschränkungen zu unterstützen, als nützlich für die Benutzer insgesamt herausgestellt. In vielen Fällen finden sogar eine weit größere Zahl von Nutzern ohne Behinderung solche Eigenschaften hilfreich als die Anzahl der Nutzer der zunächst bedachte Zielgruppe. Universelles Design kann in der Tat nicht gut umgesetzt werden, wenn nicht die Anforderungen und Fähigkeiten aller berücksichtigt werden (einschließlich solcher mit ausgefallenen Fähigkeiten an beiden Enden des Spektrums).

Bordsteinabsenkungen sind ein gutes Beispiele für all diese Punkte. Zunächst waren sie für Rollstuhlfahrer gedacht. Heute werden sie viele öfter für Fahräder, Kinderwagen, Einkaufswagen, Rollkoffer, Skatesetc benutzt als für Rollstühlen. Zunächst wurden solche Absenkungen nur im Hinblick auf Rollstuhlfahrer entworfen und mußten später im Hinblick auf eine sichere Benutzung auch von blinden Menschen, etwa in kalten, vereisten Zustand oder bei Regen abgeändert werden. Gutes universelles Design muß nützlich für alle sein, und dazu muß man die Anforderungen aller im Kopfe haben.

Die Umstände.

Es ist weiterhin wichtig klarzustellen, daß universelles Design nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern auch mit vorübergehenden Einschränkungen aus anderen Gründen, nützlich ist. Beispielsweise, sind Prinzipien zu Benutzung von Informations-Kiosks bei Schwerhörigkeit, anwendbar für die Benutzung in einer lauten Umgebung, wie einer stark belebten Einkaufsstraße. Oder Großflächige Taster (Körperbehinderung) können auch mit Handschuhen bedient werden. Oder Sprachausgabe (Sehbehinderung) kann über ein Handy genutzt werden, etc.

Universelles Design.

  • Berücksichtigt die Anforderungen aller Nutzer (beide Enden und auch die Mitte der Fähigkeitsdimension).
  • bringt Flexibilität in den Entwurf.
  • und führt zu Produkten, die
    • einer größeren Vielfalt von Menschen, die erfolgreiche direkte oder unterstütze (mit unterstützender Technologie) Benutzung des Produktes gestatten,
    • die Benutzung des Produktes in einer größerer Variation von Situationen oder Umständen ermöglichen,
    • die flexible genug sind die Anfoderungen neuer und erfahrener Nutzer zu unterstützen,
    • die für die Nutzer generell einfacher zu verstehen und zu benutzen sind.